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Was ist Diskriminierung, und wie erkenne ich sie? Wir wirkt Diskriminierung, und was macht das mit einer betroffenen Person? Welche rechtlichen Grundlagen gelten, und wo kann ich mir Hilfe holen?
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Wann liegt eine Diskriminierung am Arbeitsplatz vor – und was ist (noch) nicht gesetzlich geregelt?
In der Schweiz spricht man juristisch von Diskriminierung am Arbeitsplatz, wenn eine Person wegen eines gesetzlich geschützten Merkmals benachteiligt wird – und diese Ungleichbehandlung nicht sachlich gerechtfertigt ist.
Zu den geschützten Merkmalen gehören insbesondere:
Geschlecht (inkl. Schwangerschaft, Mutterschaft, Familienform)
Behinderung
Zivilstand
sexuelle Orientierung
politische, weltanschauliche oder religiöse Überzeugung
Je nach Situation greifen dabei verschiedene gesetzliche Grundlagen:
das Gleichstellungsgesetz (GlG) – bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) – bei Diskriminierung aufgrund einer Behinderung
das Obligationenrecht (OR) – z. B. bei missbräuchlicher Kündigung
sowie die Bundesverfassung (Art. 8) – als übergeordnete Gleichstellungsgarantie
Eine Diskriminierung liegt z. B. dann vor, wenn:
eine Frau für gleiche Arbeit weniger Lohn erhält als ihr männlicher Kollege
eine Person mit Behinderung nicht eingestellt wird, weil keine „Zumutbarkeit“ gesehen wird – ohne Prüfung möglicher Anpassungen
eine Kündigung erfolgt, nachdem eine Person Diskriminierung angesprochen hat (Rachekündigung)
eine Person aufgrund von Mutterschaft oder familiärer Situation aus Beförderungsprozessen ausgeschlossen wird
In solchen Fällen spricht das Gesetz von unzulässiger Benachteiligung, für die Betroffene rechtlich geschützt sind – z. B. durch Schlichtungsverfahren oder Klage.
Was ist (noch) nicht ausdrücklich geregelt?
Bis heute nicht explizit im Gleichstellungsgesetz geregelt sind Diskriminierungen aufgrund von:
ethnischer Herkunft oder Hautfarbe
rassistischer Zuschreibungen
sprachlicher Zugehörigkeit oder Nationalität
sozialer Herkunft
Alter
Zwar sind solche Diskriminierungen durch die Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 2) untersagt – allerdings fehlt in vielen Fällen ein spezifisches Gesetz, das den Schutz konkretisiert und durchsetzbar macht.
Das bedeutet: Betroffene von rassistischer, klassistischer oder altersbedingter Diskriminierung haben derzeit keinen gleichwertigen Rechtsschutz wie z. B. bei Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen. Verfahren sind möglich, aber oft komplizierter und mit höheren Beweislasten verbunden.
Diese Lücken im Diskriminierungsschutz werden von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Fachstellen und internationalen Gremien seit Jahren kritisiert.
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In der Schweiz gibt es mehrere gesetzliche Grundlagen, die Arbeitnehmer:innen vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen – insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Behinderung und Gleichstellung allgemein.
Das wichtigste Gesetz im Bereich Geschlechtergleichstellung ist das Gleichstellungsgesetz (GlG). Es verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in allen Phasen des Arbeitsverhältnisses – bei Anstellung, Lohn, Aufgabenverteilung, Weiterbildung, Beförderung und Kündigung. Besonders relevant ist hier die sogenannte Beweislastumkehr: Wenn eine betroffene Person glaubhaft macht, dass sie diskriminiert wurde (z. B. durch einen tieferen Lohn bei gleicher Arbeit), muss der Arbeitgeber belegen, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist.
Zusätzlich ist das Prinzip der Gleichstellung in der Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 3) verankert: Mann und Frau sind gleichberechtigt, insbesondere im Erwerbsleben. Diese Verfassungsnorm bildet die Grundlage für das GlG und weitere gesetzliche Regelungen.
Auch das Obligationenrecht (OR) schützt Arbeitnehmer:innen – etwa mit dem Verbot der missbräuchlichen Kündigung (Art. 336 OR), zum Beispiel bei Kündigungen im Zusammenhang mit einer Diskriminierungsbeschwerde. Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, die Persönlichkeit seiner Mitarbeitenden zu schützen (Art. 328 OR), was auch den Schutz vor Mobbing, systemischer Benachteiligung oder sexualisierter Belästigung umfasst.
Für Menschen mit Behinderungen gilt zusätzlich das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG). Es bezweckt die Beseitigung oder Verhinderung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen. Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Gleichstellung sicherzustellen – etwa durch barrierefreie Arbeitsplätze oder flexible Arbeitsgestaltung. Wird dies ohne sachlichen Grund verweigert, kann dies eine Diskriminierung darstellen.
Ergänzt wird dieser Schutz durch internationale Abkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), das UN-Frauenrechtsabkommen (CEDAW) sowie Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), denen die Schweiz beigetreten ist. Sie beeinflussen die Auslegung und Weiterentwicklung der nationalen Gleichstellungsgesetzgebung.
Insgesamt ergibt sich daraus ein rechtlich klar geregelter Anspruch auf Gleichbehandlung – auch wenn die tatsächliche Durchsetzung im Alltag oft mit strukturellen Hürden verbunden ist.
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Was kann ich tun, wenn ich von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen bin?
Wenn du den Eindruck hast, diskriminiert worden zu sein – etwa bei der Anstellung, beim Lohn, bei der Behandlung im Team oder bei der Kündigung – gibt es verschiedene Möglichkeiten, dich zu wehren. Manche davon sind informell und niedrigschwellig, andere führen in ein rechtliches Verfahren. Wichtig: Du musst nicht alles tun – aber du darfst wissen, welche Handlungsspielräume du hast.
1. Dokumentieren
Notiere Vorfälle, Aussagen, E-Mails, Entscheidungen – möglichst konkret (Was? Wann? Wer? Wie belegt?). Diese Dokumentation kann entscheidend sein, wenn du dich später entscheidest, formell vorzugehen oder externen Rat einzuholen.
2. Informelle Klärung suchen
Gespräche mit HR, einer Vertrauensperson oder Gleichstellungsbeauftragten können helfen, erste Schritte zu gehen – z. B. Missverständnisse auszuräumen oder interne Dynamiken zu reflektieren. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn du (noch) keine Eskalation willst.
3. Meldung an Compliance-Stelle / interne Untersuchung
In grösseren Organisationen gibt es oft interne Meldesysteme oder Ombudsstelle – etwa in Form einer Compliance-, Integritäts- oder Ethikstelle. Hier kannst du formell melden, dass du Diskriminierung, unfaire Behandlung oder strukturelle Ungleichheit beobachtest oder selbst betroffen bist.
Solche Meldungen lösen idealerweise eine interne Untersuchung aus, ohne dass du dich direkt exponieren musst (je nach System auch anonym möglich).
Diese Variante eignet sich besonders bei:systemischen Problemen,
Vorgesetztenverhalten,
diskriminierenden Richtlinien oder Sprachregelungen,
Verstoss gegen interne Ethik- oder Gleichstellungsgrundsätze.
4. Vernetzung mit anderen Betroffenen
Wenn du nicht sicher bist, ob dein Fall isoliert ist: Suche das Gespräch mit Kolleg:innen. Manchmal zeigt sich, dass ähnliche Erfahrungen existieren – und dass strukturelle Ungleichheit systematisch wirkt.
Gemeinsames Vorgehen (z. B. an GL, VR oder internem Ausschuss) kann mehr bewegen und dich entlasten.5. Beratung in Anspruch nehmen
Es gibt viele Stellen, die anonym und kostenlos beraten:
Kantonale Gleichstellungsstellen
Gewerkschaften
NGOs im Gleichstellungs- oder Diskriminierungsschutz
Arbeitsrechtsberatungen (teils öffentlich oder gewerkschaftlich organisiert)
Dort bekommst du Hilfe beim Einordnen, Argumentieren und Entscheiden – ohne Druck.
6. Schlichtungsverfahren einleiten (z. B. nach GlG)
Wenn keine interne Lösung möglich ist, kannst du bei der kantonalen Schlichtungsbehörde ein Verfahren einleiten.
Es ist kostenlos, nicht öffentlich und ohne Anwaltspflicht. Ziel ist eine Einigung, z. B. eine Nachzahlung, Entschuldigung oder die Überarbeitung von Richtlinien.7. Rechtliche Schritte prüfen (Klage)
In manchen Fällen ist eine Klage sinnvoll – etwa bei klarer Lohnungleichheit, missbräuchlicher Kündigung oder wiederholter struktureller Diskriminierung. Hier ist anwaltliche Begleitung empfehlenswert.
Achtung: Die Klagefristen sind oft kurz (z. B. 3 Monate nach Kündigung).Weitere Möglichkeiten (je nach Kontext):
Vertrauliche Meldung an den Verwaltungsrat oder Stiftungsrat, wenn Geschäftsleitung betroffen ist
Einschaltung externer Anwalts- oder Mediationsexpert:innen, z. B. für Vergleichsverhandlungen
Medien, Öffentlichkeit oder NGO kontaktieren, wenn strukturelle Missstände gedeckt werden und andere Wege ausgeschöpft sind
💡 Hinweis:
Viele dieser Wege schliessen sich nicht aus, sondern können nacheinander oder kombiniert gegangen werden. Wichtig ist: Du behältst die Kontrolle. Es geht nicht darum, sofort alles durchzusetzen – sondern Schritt für Schritt deine Möglichkeiten zu kennen. -
Was macht Diskriminierung mit einer betroffenen Person?
Diskriminierung am Arbeitsplatz betrifft nicht nur rechtliche Ansprüche – sie hat tiefgreifende Auswirkungen auf das persönliche Erleben, die psychische Gesundheit und die berufliche Entwicklung der betroffenen Person.
Viele berichten nicht „nur“ von Ungleichbehandlung, sondern von einem schleichenden Vertrauensverlust, innerer Isolation und dem Gefühl, falsch oder ungenügend zu sein – obwohl die Ursache nicht bei ihnen liegt.
Mögliche Folgen:
Selbstzweifel & Verunsicherung
Diskriminierung stellt nicht nur das Arbeitsumfeld infrage, sondern auch die eigene berufliche Identität. Betroffene beginnen, an sich selbst zu zweifeln – auch dann, wenn sie sachlich im Recht sind.Leistungsdruck & Überanpassung
Viele versuchen, besonders viel zu leisten oder Konflikten auszuweichen, um die Ungleichbehandlung zu kompensieren. Das kann langfristig zu Erschöpfung oder Burnout führen.Soziale Isolation
Wer Diskriminierung anspricht, riskiert, als „kompliziert“ oder „überempfindlich“ abgestempelt zu werden. Das verstärkt oft das Gefühl, allein dazustehen – auch wenn andere schweigen, obwohl sie Ähnliches erleben.Verlust von Vertrauen in die Organisation
Wenn keine Klärung erfolgt oder das Problem bagatellisiert wird, verlieren Betroffene oft das Vertrauen in Führungskräfte, interne Prozesse und die Unternehmenskultur insgesamt.Psychische und physische Belastung
Wiederholte oder lang andauernde Diskriminierung kann sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken – z. B. durch Stress, Schlafprobleme, depressive Verstimmungen oder Angstzustände.
Diskriminierung ist nicht einfach ein individuelles „Missverständnis“ – sie ist eine strukturelle Erfahrung, die sich in der Einzelperson psychisch, sozial und existenziell niederschlägt.
Deshalb ist es so wichtig, Diskriminierung früh zu erkennen, anzusprechen, zu dokumentieren – und dabei auf solidarische Unterstützung zugreifen zu können.
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Wer kann mir helfen?
Diskriminierung am Arbeitsplatz ist mehr als ein „Zwischenfall“. Sie kann sich tief ins Selbstbild eingraben, berufliche Perspektiven blockieren und psychisch belasten. Deshalb ist es wichtig zu wissen: Du musst das nicht allein durchstehen. Je nachdem, was du gerade brauchst – emotional, strategisch oder rechtlich – gibt es unterschiedliche Stellen, die dir weiterhelfen können.
1. Wenn du einfach mal mit jemandem reden willst, der dich ernst nimmt
Vertraue dich einer nahestehenden Person an, der du vertraust. Reden entlastet – und manchmal zeigt sich erst im Gespräch, wie gravierend die Situation wirklich ist.
Viele Betroffene erleben ein „Echo“, wenn sie erzählen: „Das habe ich auch erlebt.“ Du bist nicht allein.
Achtung: Stereotype und Denkmuster sind in unserer Gesellschaft eng verwoben. Es kann sein, dass dein Umfeld verunsichert und verunsichernd reagiert. Es ist möglich, dass du Sachen wie “Bist du sicher, dass du das richtig Verstanden hast?” oder “Das hat er doch bestimmt nicht so gemeint.” aus deinem Freundeskreis hörst. Nicht jede:r ist sensibilisiert, und manchmal reissen enge Freunde Wunden auf.
2. Wenn du dich orientieren oder beraten lassen möchtest
Kantonale Gleichstellungsstellen (z. B. für Fragen zu Lohn, Kündigung, Elternschaft)
Fachstellen gegen Diskriminierung, NGOs, Gewerkschaften
Arbeitsrechtliche Beratungsstellen (häufig kostenlos oder kostengünstig)
Diese Stellen helfen dir:
deine Situation rechtlich und strukturell einzuordnen
herauszufinden, ob dein Fall unter Diskriminierung fällt
dich auf Gespräche, Meldungen oder Verfahren vorzubereiten
3. Wenn du etwas unternehmen möchtest
Wende dich an eine interne Vertrauensperson, Compliance- oder Gleichstellungsstelle, wenn vorhanden.
Reiche bei Bedarf eine formelle Meldung oder Beschwerde ein – intern oder extern.
Juristische Optionen prüfen: z. B. Schlichtungsverfahren nach Gleichstellungsgesetz, arbeitsrechtliche Klage, Diskriminierungsschutz bei Behinderung.
Achtung: Du kannst diese Schritte alleine unternehmen. Oder du schaust dich um nach spezialisierten Coaches und/oder Anwält:innen um. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sehr entlastend sein kann, nicht alleine dazustehen. Aber es ist sehr schwer, an gute professionalisierte Ansprechpartner:innen mir Erfahrung im Diskriminierungskontext zu kommen. Wir halten seitens Echo-Netzwerk eine Liste mit Ansprechpersonen bereit, die wir dir gerne zur Verfügung stellen. Nutze das Kontaktformular.
Du musst nicht sofort entscheiden, wie weit du gehen willst. Aber es hilft, die Wege zu kennen.
4. Wenn dich die Situation psychisch belastet
Diskriminierung kann sich festsetzen – nicht nur in der Karriere, sondern im Kopf. Wenn du merkst, dass du:
dich über Wochen im Kreis drehst
kaum mehr schlafen kannst
dich zurückziehst oder wertlos fühlst
→ geh zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Sie können:
deine psychische Belastung dokumentieren (z. B. für arbeitsrechtliche Verfahren)
dich bei Bedarf an psychologische Fachpersonen oder eine psychiatrische Praxis überweisen
Das ist nicht nebensächlich – es ist Selbstschutz. Und es hilft auch juristisch, wenn dein Zustand gut dokumentiert ist und du bei allfälliger weiterer Eskalation eine Krankschreibung brauchst.
5. Wenn du mit anderen Betroffenen in Kontakt kommen willst
Vernetz dich mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben – z. B. über unser Echo-Netzwerk.
Du kannst dich austauschen, Materialien teilen, Vorlagen weitergeben – oder einfach erleben: Ich bin nicht allein, und ich bin nicht das Problem.